Jahrhunderthochwasser – ein Begriff an den wir uns leider schon fast gewöhnt haben.
Stellungnahme der Scientists for Future Traunstein zu den jüngsten Starkregenereignissen im Süden Bayerns.
In drei Regionen Deutschlands gab es bereits in diesem Jahr ein solches Unwetterereignis. Im Gedächtnis sind auch noch die Katastrophen an Elbe, Donau, Ahrtal und auch bei uns in der Region, alle in der kurzen Zeitdauer nach der Jahrtausendwende aufgetreten.
Was hat es mit dieser Häufung innerhalb der letzten 24 Jahre auf sich? Ist der Begriff „Jahrhunderthochwasser“ heute noch gültig?
HQ100 (Hochwasser Quantität 100 Jahre), ist der hydrologische Fachbegriff für ein Jahrhunderthochwasser. Er wird, basierend auf den Statistiken vergangener Hochwasserpegel, gebildet und stellt den Hochwasserspiegel dar, der statistisch gesehen nur einmal in 100 Jahren erreicht werden dürfte.
Die sich häufenden Unwetterereignisse der letzten zwei Jahrzehnte sind statistisch gesehen auffällig und deuten darauf hin, dass sich die Bedingungen für Starkregenereignisse und daraus folgende Extrem-Hochwasser im Vergleich zur Historie des letzten Jahrhunderts verändert haben. Ein einzelnes Starkregenereignis lässt sich noch nicht auf den Klimawandel zurückführen, wir sehen aber heute ein gestiegenes Risiko – und erleben dies faktisch auch real – für häufigere und stärkere Starkregenereignisse aufgrund des Klimawandels.
Gibt es dafür wissenschaftliche Erklärungen?
Die zunehmende Häufigkeit von lang andauernden Regenperioden ist auf die abnehmenden Polarwindströme als Konsequenz eines sich stark erwärmenden Nordpols zurückzuführen. Dies führt dazu, dass Trockenphasen aber auch Regenphasen länger an einem Ort verweilen können. Eine länger andauernde Regenphase bedeutet in jedem Fall eine Zunahme der Regenmenge an einem spezifischen Ort. Dies wird durch einen zweiten Effekt noch verstärkt. Die heute deutlich erwärmten Ozeane, in unserem Fall insbesondere das Mittelmeer – aber auch der Atlantik und die Nord- und Ostsee-, verdunsten mehr Wasser als je zuvor. Die zugleich erhöhte Lufttemperatur kann mehr Wasser in Wolkenbildung aufnehmen. Konkret sind das mit jedem Grad erhöhter Lufttemperatur 7% mehr Feuchtigkeit.
Heiße Temperaturen in Südeuropa begünstigen damit Wolken, die deutlich mehr Wasser tragen und bei uns aufgrund stabilerer Wetterlagen an einem Ort abregnen können.
Diese veränderten Gegebenheiten und ihre Risiken erfordern große Anpassungen, bspw. durch einen zukunftsorientierten Hochwasserschutz. Dieser ist teuer und aufwändig, wie bspw. die Investition von einer Milliarde Euro an der Donau auf einer Länge von 69 km zeigt, jedoch unverzichtbar, um Todesfälle und existenzgefährdende Schäden zu verhindern.
Noch wichtiger ist es jedoch, die Hochwasserentstehung einzugrenzen, indem die Regelmechanismen der Natur wieder zurückgewonnen werden:
- die Flussbegradigungen der Vergangenheit müssen rückgängig gemacht werden
- große „Überlaufbereiche“ (= Polder) und gewässernahe Moor- und Moosgebiete müssen wieder reaktiviert werden
- die Regionalpläne und die Bauleitplanungen in Folge sind konsequent auf die Ziele des Klimaschutzes auszurichten
- sofortiger Stopp der Versiegelung von Grünflächen, in Bayern werden immer noch täglich 13 ha versiegelt durch die Neuausweisung von Bauland und die Ausweitung der Kfz Verkehrsinfrastruktur
- die Städte müssen ihre versiegelten Flächen sofort umbauen, damit mehr Niederschlagswasser aufgenommen werden kann, Stichwort Schwammstadt
- mehr Grün in die Stadt, damit die Bürger Hitzeperioden besser überstehen, das bedeutet Entsiegelung, Dach- und Fassadenbegrünung und mehr Wasserflächen in den Städten
Die stetige Versiegelung von Grünflächen ist eine der Hauptursachen vieler negativer Faktoren, die unser Klima aufheizen. Die Folgen spüren wir alle schon heute alle:
Extreme Hitzeperioden und lokale Starkregenereignisse, die insbesondere auch kleinere Flüsse und Bäche betreffen mit der Folge, dass unsere Straßen und Keller überflutet werden, wie zuletzt Anfang Juni im Landkreis Rosenheim, bei dem der Katastrophenfall ausgerufen werden musste.
Mit jeder weiteren Erderwärmung verstärken sich die beschriebenen Randbedingungen und damit steigt der Bedarf an Maßnahmen und Kosten stetig weiter an. Daher ist es zwingend erforderlich durch schnellen und effektiven Klimaschutz zu verhindern, dass sich die Risiken und Ausmaße von Starkregenereignissen noch weiter erhöhen.
Als Scientists for Future rufen wir daher wiederholt dazu auf, die Vereinbarungen der Klimaziele von Paris einzuhalten und mit aller Anstrengung eine weitere Erwärmung der Erde zu verhindern in dem der Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 schnell und erheblich reduziert wird.